Wirtschaftswunder-Weltraumforschung

Der Astropeiler bei Eschweiler

Weithin sichtbar ragt die futuristisch anmutende Stahlsilhouette zwischen Blankenheim und Euskirchen in der Nordeifel empor. Deutschlands ehemals größtes Radioteleskop, der Astropeiler auf dem Stockert, hinterlässt bereits von weitem einen bleibenden Eindruck. Doch was den Schein von Zukunft trägt, birgt museale Technik in sich. Zwar stellt das Pionierteleskop keine Konkurrenz mehr zu seinen großen Geschwistern in aller Welt dar, doch dokumentiert es ein spannendes Stück Wissenschaftsgeschichte aus der deutschen Wirtschaftswunderzeit. Für Betrieb und Erhalt des Technikdenkmals engagiert sich über 50 Jahre nach dem Baubeginn ein Förderverein. 

Nachdem sich die Universität Bonn in den 1990er Jahren von dem ehemaligen Prestigeobjekt trennte und die Zukunft des Radioteleskops lange ungewiss war, geht es jetzt auf dem Gipfel des Stockert wieder bergauf. Der „Förderverein Astropeiler“, eine Interessengemeinschaft von Profi- und Amateurastronomen, Anwohnern und Funkamateuren, kümmert sich um den Erhalt des prägnanten Wahrzeichens für die Öffentlichkeit. In dem 50er-Jahre-Bau illustriert nun eine Ausstellung die wechselhafte Geschichte des Technikdenkmals.

Die Anlage wurde bereits 1956 gebaut. Sie ist heute mit moderner Technik ausgestattet und wird vielfältig genutzt: Wissenschaftliche Beobachtungen werden im Rahmen der Möglichkeiten eines Instrumentes der 25-m Klasse durchgeführt, häufig auch in Zusammenarbeit mit anderen Instituten oder Universitäten.

Foto: Werner Stapelfeldt
Foto: Werner Stapelfeldt
Foto: Werner Stapelfeldt
Foto: Werner Stapelfeldt

Radioteleskope registrieren unsichtbare kosmische Strahlung. Ihre hohlspiegelförmigen Antennen arbeiten dabei genau so wie eine Antennenschüssel für den privaten Fernseher. Doch anstatt auf Fernsehsatelliten zu zielen, richten Radioastronomen ihre Parabolantennen auf Sterne und andere kosmische Objekte. Die empfangene Strahlung gibt nach einer grafischen Aufarbeitung viele Details über ihren Herkunftsort preis. In den Himmel „gucken“ Radioastronomen auch bei Tag. Neben der Sonne und den sichtbaren Gestirnen beobachten sie vor allem leuchtschwache Objekte: Dunkle Gaswolken zwischen den Sternen, erloschene Sonnen oder schnell rotierende, kompakte Pulsare, die mit optischen Teleskopen selbst nachts nicht zu sehen wären. Seit 1932 nutzen Astronomen die Radiowellentechnik zur Himmelserkundung. 

Die Anfänge des Astropeilers auf dem Stockert reichen in das Jahr 1955 zurück. Damals weckte die noch junge Radioastronomie zunehmend das Interesse von Weltraumforschern. Das für damalige Verhältnisse enorm große Teleskop – die „Schüssel“ hat einen Durchmesser von 25 Metern – sicherte der jungen Bundesrepublik den Anschluss an die weltweite Forschergemeinde. Gleichzeitig konnte Deutschland die Konkurrenz- und Leistungsfähigkeit seiner Ingenieure unter Beweis stellen. Spezialisten der Zeppelinwerft Friedrichshafen entwarfen das Stahl- und Leichtmetallgerippe des Astropeilers. Beeindruckend ist neben den Ausmaßen der Antennenschüssel die Dimension der Mechanik. Zahnrad und Kugellager, die den lauschenden Empfänger in Richtung Weltraum drehen, haben einen Durchmesser von 2,60 Metern. 

Seine ausgefeilte Technik machte den Horchposten auf dem Stockert im Kalten Krieg auch für die Militärs nützlich. Sie überwachten mit dem Astropeiler in der Eifel die Luftraumkorridore über Berlin: Der Parabolspiegel lässt sich bis zwei Grad unter den Horizont kippen und konnte so von der Bundeswehr als Radargerät mit Überreichweite genutzt werden. 1964 räumte die Armee den Stockert und überließ ihn den Radioastronomen der Universität Bonn. Nachdem die Forscher vor mehr als zehn Jahren ebenfalls den Rückzug antraten, sorgte der fast zeitgleich gegründete Förderverein für eine Einstufung des Astropeilers als bewahrenswertes Denkmal der Technikgeschichte. Die Anlage ist jetzt unter der Führung des Vereins für Schulklassen und Besucher geöffnet und steht auch zahlenden Institutionen zur Verfügung. Dem geschichtsträchtigen Ort scheint somit eine zweite „Karriere“ gesichert. 

Unterstützt wurde die Sanierung des Astropeilers auch von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, die sich seit 2007 maßgeblich an der Instandsetzung der großen Satellitenschüssel des Radioteleskops beteiligt hat. Nach vier Jahren Bau-, Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten ist der Astropeiler jetzt seit Mai 2010 wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. 

Den Besucher erwartet ein kleines Museum, und für Schulen ist der Stockert zum außerschulischen Lernort aufbereitet worden. Das Technikdenkmal ist bestens geeignet, Kindern einen Zugang zu Fächern wie Mathematik, Informatik, Technik und Physik zu verschaffen, den sie vorher nicht hatten. Dazu haben die Mitglieder des Fördervereins eigens die „Arbeitsgemeinschaft Lernort & Bildung“ gegründet und Unterrichtspakete für die Vorschule bis zur Sekundarstufe II entwickelt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Praxis. Fernrohre selber bauen, mit einem Sextanten navigieren können macht Unterrichtsfächer plötzlich spannend, die vorher vielleicht eher langweilig und abstrakt waren. Physiklehrer aus der Umgebung von Bad Münstereifel führten damals erstmals Unterricht am Astropeiler durch. Die Resonanz darauf war so groß, dass der Förderverein das Angebot ausweiten möchte. Seit der Wiedereröffnung des Astropeilers nach der Restaurierung steht ein neuer Unterrichtsraum zur Verfügung, der ausgestattet werden muss. Außerdem sollen weitere Unterrichtspakete entwickelt werden und mehr technisches Equipment für die spannenden Experimente zur Verfügung stehen. Studenten, Forschern, Funkamateuren und Künstlern soll der Stockert auch eine Residenz bieten, um Lern-, Forschungs- und Kulturprojekte durchzuführen.

Stand der Angaben: Magazin der NRW-Stiftung 2/2010

Das Projekt „Astropeiler Stockert“ in unserem Förderbande-Podcast

Unser Engagement

Die Nordrhein-Westfalen-Stiftung hat den Förderverein Astropeiler mit dem Kauf des Areals und des denkmalgeschützten Radioteleskops und dessen Restaurierung unterstützt. Als Denkmal der Technikgeschichte wird das 1956 errichtete Gebäude erhalten und öffentlich zugänglich gemacht.


Standort

Astropeiler Stockert
Astropeiler Stockert (Straße/Weg)
53902 Bad Münstereifel
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