„Ich war früh politisch“
Sich stark machen für Gerechtigkeit und Vielfalt: Das hat das Leben von Dr. Viktoria Waltz grundlegend geprägt. Davon profitiert auch der ‚Verein für internationale Freundschaften‘.
Einfach weggucken oder sich wegducken, leisetreten und stillhalten? Damit hat sich Viktoria Waltz schon als junge Frau nicht zufriedengegeben. Als Ende der Sechzigerjahre tausende Studierende in Deutschland auf die Straße gehen, ist sie mittendrin. Öffentliche Sit-ins und Proteste gegen das verstaubte Hochschulwesen, die atomare Aufrüstung, das Verdrängen der NS-Vergangenheit: Was viele nur aus Geschichtsbüchern kennen, hat die damalige Architekturstudentin in Berlin hautnah miterlebt, sogar mitgestaltet.
„Diese Zeit hat mich für immer politisiert“, sagt Viktoria Waltz. Ereignisse und Erfahrungen, die ihr weiteres Leben nachhaltig prägen: die Jahre als Lehrende an der Universität Dortmund in der Abteilung Raumplanung ebenso wie als Beraterin für Wohnungspolitik in den palästinensischen Autonomiegebieten Gaza und Ramallah. Aber auch als politisch aktive Bürgerin, zum Beispiel als Abgeordnete der Grünen im Ausländerbeirat der Stadt.
Initialzündung in der Stahlkrise
Den Dortmunder Verein für internationale Freundschaften, kurz ViF DO, unterstützt Viktoria Waltz seit dessen Gründung im Jahr 1987. Damals hatte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel mit dem Titel „Das Boot ist voll“ gerade hohe Wellen geschlagen. Bei den Hoesch-Werken verloren in der Stahlkrise Hunderte ihren Job, als erste die ausländischen Arbeiter. „Es lag praktisch in der Luft, dass die Migranten sich selbst organisieren“, so die engagierte Wahl-Dortmunderin mit dem feuerrot gefärbten Haar über die Initialzündung des ViF.
NRW-Stiftung förderte drei Bücher des Vereins
Seit 1993 haben die Frauen und Männer, deren Wurzeln in Italien, Marokko, Kasachstan, Spanien oder der Türkei liegen, eine feste Anlaufstelle in der Dortmunder Nordstadt. „Einen Ort, der ihren Bedürfnissen Raum gibt, eine emotionale Heimat“, so Viktoria Waltz über die Internationale Senioren-Begegnungsstätte. Als sich die Wissenschaftlerin im Jahr 2007 Jahren von ihrem Hochschuldasein verabschiedet, intensiviert sie ihren Einsatz für den Verein. Ein Engagement, so vielfältig wie die Gesichter der Nordstadt. Sie berät den Vorstand, hilft Projekte auf die Beine zu stellen, rührt die Werbetrommel. Für drei im Verein entstandene Bücher über Migrationsbiografien und eine Ausstellung wirbt sie bei der NRW Stiftung eine Fördersumme von mehr als 20.000 Euro ein. 2016 wurde der Verein für das Projekt im Rahmen des Engagementpreises NRW mit dem Sonderpreis der NRW-Stiftung ausgezeichnet.
Warum Viktoria Waltz diese Arbeit so wichtig ist – schließlich könnte sie ja einfach ihren Ruhestand genießen und ihrem Lieblingshobby nachgehen, der Musik? „Ich habe wohl ein Jeanne-d'Arc-Syndrom“, sagt die ehemalige Dozentin und lacht. Sich für Schwächere stark machen, für Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung kämpfen – „das hat mich schon immer angetrieben.“ Ein bisschen mag das auch an der eigenen Vergangenheit liegen. Nicht nur daran, dass sie bereits als junge Frau fasziniert ist von fremden Kulturen, dem internationalen Milieu, und viel gereist ist. „Auch ich bin streng genommen ein Flüchtlingskind“, verrät sie. Als der Vater, ein Architekt, in Russland in Kriegsgefangenschaft gerät, flieht die Mutter aus Küstrin, heute das polnische Kostrzyn, in den Norden Deutschlands. Die ersten neun Jahre verbringt die Familie in Kiel, dann zieht sie nach Ostwestfalen.
»Ich habe wohl ein Jeanne-d’Arc-Syndrom.«
- Sitz: Dortmund
- gegründet 1988
- Seniorenbegegnung seit 1993
- Integrationspreis der Stadt Dortmund 2011
- Engagementpreis NRW 2016
Obwohl Berlin als Schauplatz der Studentenproteste verknüpft mit vielen hochspannenden Erlebnissen immer ein bisschen Sehnsuchtsort geblieben ist: Ihre Heimat, so die Wahl-Dortmunderin, das sei inzwischen das Ruhrgebiet. Anziehend findet sie vor allem seine Vielschichtigkeit und Offenheit, dass es auch kulturell so viel zu bieten hat. Und selbst in Sachen Internationalität steht die Metropole Ruhr der Hauptstadt in nichts nach. Immerhin leben hier Menschen aus über 180 Herkunftsländern. Der ViF möchte dazu beitragen, dass Seniorinnen und Senioren aus nah und fern sich hier angekommen fühlen. Menschen wie Viktoria Waltz setzen sich dafür ein, dass dies gelingt.
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