Der Virtuose vom Rhein

Einer der größten Komponisten aller Zeiten kommt aus NRW – Ludwig van Beethoven. In seiner Heimatstadt Bonn spüren Besucher ihm nach. Etwa im frisch renovierten Geburtshaus.

Der genaue Tag, an dem Ludwig van Beethoven zur Welt kam, ist ungewiss. Exakt kennen wir nur sein Taufdatum, den 17. Dezember 1770. Wahrscheinlich fiel die Entbindung auf den Tag davor, denn im 18. Jahrhundert ließ man sich mit Taufen nicht viel Zeit. Der Grund war die hohe Kindersterblichkeit, mit der auch die Familie Beethoven umgehen musste. Drei von Ludwigs sechs Geschwistern starben früh, darunter ein 1769 geborener Junge, der ebenfalls Ludwig geheißen hatte — was den Komponisten später in Zweifel über sein wahres Geburtsjahr stürzte. Wir hingegen können sicher sagen, dass es 2020 genau 250 Jahre zurückliegt.

Eine musikalische Familie

Beethoven wurde als Untertan der Kurfürsten von Köln geboren, die damals in Bonn residierten. Der Familie Beethoven sicherte das die Existenz: Ludwigs Großvater war kurfürstlicher Kapellmeister gewesen, der Vater stand als „Hoftenorist“ in fürstlichen Diensten. Schon mit vierzehn Jahren wurde Ludwig ebenfalls Mitglied der Hofkapelle. Sein erster öffentlicher Auftritt lag da schon sieben Jahre zurück, und es gab auch bereits gedruckte Kompositionen von ihm. Er könne ein zweiter Mozart werden, meinte der Hoforganist Johann Christian Neefe, den Ludwig schon mit elf Jahren bisweilen an der Orgel vertrat. Fünf Jahre später wurde das rheinische Wunderkind folgerichtig nach Wien geschickt, um bei Mozart Unterricht zu nehmen. Doch das Vorhaben scheiterte. Die beiden Genies sind sich wohl nie begegnet.

Als Ludwig ein paar Monate später nach Bonn zurückkehrte, erlebte er schwierige Zeiten. Seine Mutter starb, und der verwitwete Vater verfiel dem Alkohol so sehr, dass er seine Stelle als Hofsänger verlor. Ludwig wurde dadurch de facto zum Familienoberhaupt. Er lernte in dieser Zeit einen seiner großen Förderer kennen, den Grafen Waldstein, dem er später die berühmte Waldstein-Sonate widmete. Noch folgenreicher wurde 1792 eine Begegnung mit Joseph Haydn, der auf der Reise von London nach Wien in Bonn Station machte. Daraus erwuchs der Anstoß für Beethovens zweiten Anlauf in der Donaustadt. Da Mozart inzwischen verstorben war, sollte er in Wien jetzt „Mozarts Geist aus Haydns Händen“ erhalten, wie es Graf Waldstein so ausgefeilt formulierte, dass das Zitat in keinem Beethoven-Artikel fehlen darf.

Im Bonner Beethoven-Haus erstrahlen die Räume seit der Renovierung 2019 in neuem Glanz.

Im Bonner Beethoven-Haus erstrahlen die Räume nach der Renovierung 2019 in neuem Glanz.

Bonn als eigenständige Epoche

Beethoven machte in Wien zunächst vor allem als Klaviervirtuose auf sich aufmerksam. Doch allmählich entwickelte er sich zum Meister der Wiener Klassik und schrieb seine großen Werke. Viele Darstellungen neigen dazu, seine Bonner Jahre nur als eine Art Vorspiel zu der Wiener Zeit zu betrachten. Der ehrenamtliche Verein „Bürger für Beethoven“ in Bonn möchte dieses Bild korrigieren. Es war schließlich kein gewöhnlicher Kompositionsschüler, der da vom Rhein an die Donau kam, sondern ein jugendliches Genie, das sich als Musiker schon vielfach bewährt hatte.

In Bonn wurde Beethoven überdies auch literarisch und politisch geprägt, lernte hier zum Beispiel die Ideen der Aufklärung kennen und entwickelte Sympathien für die 1789 beginnende Französische Revolution. Kurz: Bonn bildet in Beethovens Biografie eine eigenständige Epoche.

Seinen rheinischen Dialekt soll der Meister nie abgelegt haben. Freude dürfte für ihn also kein schöner Götterfunke gewesen sein, sondern eher „ne schöne Jötterfunke“, ähnlich wie im Motto der aktuellen Bonner Karnevalssession: „Jötterfunke överall — Ludwig, Bonn un Karneval“. Wiedergesehen hat der Komponist sein Bonn aber nie mehr. Die Besetzung des Rheinlands durch die Franzosen 1794 machte seine Hoffnung zunichte, in der Heimatstadt kurfürstlicher Hofkapellmeister zu werden. Dass er auch später nicht mehr kam, hatte wohl mit seiner Neigung zu tun, Reisen gerne aufzuschieben. Von Italien, Frankreich, der Schweiz und England träumte Beethoven zwar, setzte aber nie einen Fuß in diese Länder.

Beethoven-Haus
  • Standort: Bonn
  • Erbaut: ca. 1700
  • Baustil: Barock
  • Eröffnung: 1893
  • Vereinsgründung: 1889

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Neustart im Beethoven-Haus

Das Gebäude, in dem Beethoven geboren wurde, ist eigentlich ein kleiner Komplex aus Vorder- und Hinterhaus. Die Wohnungen waren ausdrücklich Musikern der kurfürstlichen Hofkapelle vorbehalten. Dessen ungeachtet entfloh die Familie Beethoven ihrer beengten Situation im Hinterhaus bereits, als Ludwig noch ein kleines Kind war. Es folgten mehrere Umzüge, doch von den verschiedenen Wohnstätten der Beethovens blieb nur das Geburtshaus erhalten. Zu verdanken ist das zwölf Bonner Bürgern, die 1889 einen Verein gründeten, um den Abriss des Hauses zu verhindern. 1893 wurde es ein Museum und fast genau hundert Jahre später mithilfe der NRW-Stiftung restauriert.

Bei der jüngsten Umgestaltung 2019 wurde die Ausstellung nicht mehr chronologisch, sondern thematisch geordnet. Das (vermutete) Geburtszimmer darf man neuerdings betreten, was bislang nicht möglich war. Shop und Café sind in ein Gebäude auf der anderen Straßenseite gewechselt, so dass die größte Beethovensammlung der Welt nun mehr Platz hat. Sie umfasst neben Gemälden und Musikinstrumenten auch zahlreiche Dokumente, für die eine eigene „Schatzkammer” eingerichtet wurde. Zu sehen sind außerdem Alltagsgegenstände wie einige der teilweise monströsen Hörrohre des Komponisten. Schon Ende der 1790er Jahre hatten seine Gehörprobleme dramatische Ausmaße erreicht, vollständig ertaubte er 1818, neun Jahre vor seinem Tod. Komponieren konnte er dank seiner musikalischen Imagination zwar weiterhin, bei Unterhaltungen war er jedoch auf „Konversationshefte“ angewiesen, in die seine Mitmenschen ihre Äußerungen eintragen mussten.

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ZU DEN PROJEKTEN

Beethoven digital

Das Internetangebot des Beethoven-Hauses bietet weit mehr als eine übliche Museumswebseite — es umfasst ein virtuelles Archiv mit Tausenden von historischen Dokumenten, Gemälden, Noten und Karikaturen samt Erläuterungen. In einem Hörversuch lässt sich sogar Beethovens Ertaubungsprozess nachempfinden. Man findet in dem Angebot auch die digitale Kopie jenes Originalbriefs vom April 1807, der 1989 mithilfe der NRW-Stiftung angekauft wurde. Ja, man kann sich das Schriftstück sogar — wie zahlreiche andere — vorlesen lassen. Gerichtet ist es an die Verleger Ignaz und Camille Pleyel in Paris. Beethoven äußert darin den Wunsch, die französische Metropole einmal zu besuchen, fügt aber zugleich ahnungsvoll hinzu, bei weiterem Aufschub „müßte man Paris wohl nie sehen“.

Das heute als Beethoven-Haus bekannte Gebäude liegt in der Bonngasse 20 in Bonn. Sein Kellergewölbe stammt aus dem 12. oder 13. Jahrhundert, darüber errichteten Bürger im 18. Jahrhundert eine barocke Steinfassade. Im Dezember 1770 kam hier Ludwig van Beethoven zur Welt. Heute ist das Haus eines der meistbesuchten Musikermuseen der Welt.

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 2-2019 unseres Stiftungsmagazins NRW Natur-Heimat-Kultur.

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