Trutzburg am Tagebau

Nationales Naturerbe Steinheide im Rhein-Erft-Kreis

Der Braunkohletagebau hat in der Jülich-Zülpicher Börde einen hohen ökologischen Preis gefordert. Von den einstmals für diese Landschaft charakteristischen großflächigen Bürgewäldern aus alten Eichen und Hainbuchen ließen die Bagger nur noch kleine Reste übrig. Diese verbliebenen Inselbiotope sind als letzte Refugien für waldbewohnende Tier- und Pflanzenarten der Region nun umso bedeutender. Das Nationale Naturerbe Steinheide ist einer dieser wenigen noch verbliebenen Waldkomplexe. Gemeinsam mit den benachbarten Wäldern Dickbusch und Lörsfelder Busch bildet das 71 Hektar große Naturerbegebiet Steinheide neben der Ville sogar das letzte größere Waldgebiet in der gesamten Niederrheinischen Bucht. Zusammen sind sie als knapp 450 Hektar großes europäisches FFH-Schutzgebiet seit 2004 gesichert.

Das Schicksal des als Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen Umweltschützern und Tagebau zu trauriger Berühmtheit gelangten Hambacher Forstes blieb der Steinheide womöglich nur durch ihre militärische Vergangenheit erspart. Denn das Luftlinie nur zwei Kilometer westlich vom Hambacher Forst entfernt gelegene 71 Hektar große Waldgebiet war im Kalten Krieg als Abschussbasis für Pershing-Mittelstreckenraketen mit atomaren Sprengköpfen vorgesehen. Vom nur wenige Kilometer entfernten Fliegerhorst Nörvenich hätten die Raketen im „Ernstfall“ zur vorbereiteten Raketenstellung in der Steinheide gefahren und von dort aus abgeschossen werden sollen.

Es war also ausgerechnet die Vorbereitung auf das apokalyptische Szenario eines Atomkriegs, das die Steinheide vor menschlichen Eingriffen schützte. Als militärisches Sperrgebiet sicher eingezäunt und als reine Abschussbasis nur vergleichsweise wenig durch die militärische Infrastruktur belastet, überdauerte der teilweise mehr als 150 Jahre alte Wald weitgehend unbeschadet das mittlerweile historische Kapitel um den „Nato-Doppelbeschluss“ zur Raketenstationierung gegen die Sowjetunion, der in den 1980er Jahren hunderttausende Menschen auf die Straßen trieb.

Die Bechstein-Fledermaus fühlt sich wohl in alten Wäldern.

Die Steinheide ist von alten Eichen mit vielen Spechthöhlen geprägt.

Der Mittelspecht ist eine der schützenswerten Vogelarten der Steinheide.

Heute kommt der Naturerbefläche als einem der letzten verbliebenen naturnahen Altwälder eine zentrale Bedeutung als Knotenpunkt im landesweiten Biotopverbund zu. Aufgrund seiner Größe und der erhaltenen Artenvielfalt ist das Naturerbe Steinheide zum einen ein wichtiges Rückzugsgebiet für die durch den Tagebau andernorts verdrängten und an alte Wälder gebundenen Tier- und Pflanzenarten. Ihre ökologische Wertigkeit und die Insellage inmitten der ansonsten überwiegend intensiv durch Landwirtschaft und Infrastruktur genutzten Börde verleiht der Steinheide zugleich aber auch größte Bedeutung für die zukünftige Wiederbesiedlung der Rekultivierungsflächen nach dem absehbaren Ende des Braunkohletagebaus.

Geschützter Lebensraum

Die Steinheide besteht zum großen Teil aus großflächigen Vorkommen des heute vielerorts bedrohten Eichen-Hainbuchenwaldes. Wie für den Niederrhein früher typisch, mischen sich auch größere Bestände von Winterlinde und Maiglöckchen ein. Über die kommenden Jahrzehnte soll dieser nach der europäischen FFH-Verordnung besonders geschützte Lebensraumtyp durch Managementmaßnahmen zum Schutz der Eiche bewahrt und daneben durch die Entnahme von nicht standorttypischen Nadelbaumarten weiter aufgewertet werden. Größere Waldpartien sollen sich ohne direkte Eingriffe in die natürlichen Entwicklungsprozesse zu Naturwäldern fortentwickeln dürfen.

Damit sollen auch die Bedingungen für die hier lebenden besonders schützenswerten Vogelarten wie Wespenbussard, Schwarzspecht und Mittelspecht sowie für einige Fledermausarten weiter verbessert werden. Schon jetzt finden sie in den älteren Partien des Naturerbes überdurchschnittlich gute Biotope vor. Eine Analyse der Alteichenflächen der Steinheide ergab eine überdurchschnittlich hohe Zahl zwischen 17 und 37 Spechthöhlen pro Hektar Fläche. Neben Spechten und Hohltauben konnten davon auch Fledermäuse, vielleicht sogar die europaweit bedrohte Bechsteinfledermaus, profitieren, eine typische Bewohnerin alter Wälder. Viele von ihnen sind nach der Zerstörung ihrer alten Wälder gerade auf der Suche nach einem neuen Zuhause.

Stand der Angaben: 2020

Unser Engagement

Die Steinheide gehört zu den Liegenschaften des Nationalen Naturerbes, die von der Bundesrepublik Deutschland in die Hände der NRW-Stiftung übertragen wurden. Alle Naturerbeflächen stellen wir Ihnen in unserer Broschüre vor.


Standort

Steinheide
Steinheide
50170 Kerpen
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