Rockin' all over NRW

Das Rock’n’Pop Museum in Gronau

„Das Publikum stürmte die Bühne in Lüdenscheid“, so steht es in kleinen Buchstaben auf einem Plattencover der britischen Band Deep Purple. Doch eigentlich muss man nicht nach versteckten Hinweisen fahnden, um zu beweisen, dass NRW rockt. Schließlich begeisterten die aus der Essener Grugahalle übertragenen Rockpalastnächte des WDR jahrelang halb Europa. Nicht zu vergessen Kraftwerk aus Düsseldorf, die als Urväter des Techno gelten, oder Nena aus Hagen mit ihrem Welthit „99 Luftballons“. BAP machten Kölsch zum Rockidiom, Grönemeyer besang Bochum, und die Toten Hosen erschufen mit ihren „Tagen wie diesen“ eine Stadionhymne. Kein Wunder, dass auch das bundesweit einzigartige Rock’n’Popmuseum in NRW gegründet wurde. Vor vierzehn Jahren eröffnete es im westfälischen Gronau. Nun hat sich das Museum neu erfunden. Ein Blick hinter die Kulissen – mit Bildimpressionen von Mitarbeitern während der Umbauphase.

1971 – Im Fernsehen läuft der dreiteilige Straßenfeger „Das Messer“ nach Francis Durbridge. Ungewöhnlicher als die Krimihandlung in Schwarz-Weiß sind allerdings die hypnotisierenden Sounds, die sich dabei aus den Röhrenapparaten über die heimischen Wohnmöbel ergießen. Es sind Klänge der Kölner Experimentalgruppe Can, die via TV erstmals in Deutschland ein Musikstück mit Rhythmusmaschine populär macht. Beim Namen des Songs scheint man sich allerdings in der psychedelischen Besteckschublade vergriffen zu haben, denn er hat nichts mit scharfen Klingen zu tun, sondern lautet seltsamerweise „Spoon“, der Löffel. Spoonrecords nennt sich auch das einige Jahre später gegründete Plattenlabel, auf dem die Musik von Can seitdem erscheint. Das legendäre Tonstudio, das die Band während der 70er Jahre in Weilerswist bei Köln betrieb, steht heute hingegen im Rock’n’Popmuseum Gronau – inklusive der unzähligen Bundeswehrmatratzen, die die Gruppe zur Vermeidung ungewollter Halleffekte benutzte.

Das Studio der Avantgarde-Band Can aus dem Rheinland ist im rock'n'pop-Museum zu sehen.

Der Schwerpunkt der vor einigen Jahren neu konzipierten Ausstellung liegt auf den deutschen und nordrhein-westfälischen Pop-Größen.

Die Pop-Welt ist bunt – das spiegelt sich auch in der Ausstellung wider.

Wind of Change in der Turbinenhalle

Das Can-Studio ist ein eindrucksvoller Zeuge der Musikgeschichte, umso mehr als unter den Bandmitgliedern zwei Schüler von Karlheinz Stockhausen waren. Sowohl Keyboarder Irmin Schmidt als auch der 2017 verstorbene Bassist Holger Czukay hatten an der Kölner Musikhochschule bei dem Pionier der elektronischen Musik Komposition studiert. Mit entsprechender Sorgfalt wird die historische Studiotechnik von Can im Gronauer Museum gehütet. Ihren ursprünglichen Platz hat sie dort allerdings inzwischen verlassen und ist in das Untergeschoss des Museums eingezogen, gleich neben einen neuen Clubraum für Konzerte mit bis zu 300 Zuhörern. Der Grund für die Umsiedlung: Ein kräftiger Wind of Change hat das alte Turbinengebäude des Gronauer Textilunternehmens Mathieu van Delden durcheinandergewirbelt, wo das Rock’n’Popmuseum seit 2004 zuhause ist. 

Die Dauerausstellung wurde dabei in die zentrale, ebenerdige Halle verlegt und inhaltlich grundlegend überarbeitet. Auf 600 Quadratmetern erschließt sie die musikalischen, technischen und emotionalen Aspekte der Popmusik nun noch eindrucksvoller. Dabei hilft auch eine Projektions- und Soundshow, die die verschiedenen Ausstellungsthemen aufwendig visualisiert. Im Anschluss an den Rundgang lässt sich in der Rock’n’Pop-Lounge auf der Galerie noch einmal Überblick über die Präsentation gewinnen, zugleich kann man hier entspannt in informativen Datenbanken stöbern. Die aktualisierte Medientechnik des Museums trägt im Übrigen auch zu mehr Barrierefreiheit bei, weil Töne und Bilder dadurch für Menschen mit Beeinträchtigungen der Sinnesorgane besser erfahrbar werden können. Texte in leichter Sprache, eine optimierte Aufzugsanlage und geeignete Audioguides runden zusätzlich ein Museumsangebot ab, das sich an alle Menschen richtet.

Ehrenbürger mit Hut

Schon die Adresse des Museums lässt keinen Zweifel, worum es dort geht, liegt es doch am „Udo-Lindenberg-Platz“. Der Chef des Panikorchesters und notorische Hutträger Udo Lindenberg wurde 1946 in Gronau geboren. Seit 2016 ist er zudem Ehrenbürger der Stadt, in der seitdem auch ein Lindenberg-Denkmal zu bestaunen ist – eine Plakette am Geburtshaus wurde schon zehn Jahre zuvor angebracht. Dass die Besucherinnen und Besucher des Rock’n’Popmuseums neuerdings zu Beginn des Rundgangs von einem virtuellen Udo begrüßt werden, hat aber noch einen weiteren wichtigen Grund: Die Idee zur Museumsgründung ging ebenfalls auf Lindenberg zurück. Der musizierende und malende Künstler hat in Gronau auch schon seine berühmten „Likörelle“ ausgestellt – Bilder, die ihre Farben diversen alkoholischen Getränken verdanken. Udo Lindenberg trug in den 70er Jahren entscheidend dazu bei, die deutsche Sprache rock- und poptauglich zu machen – so wie es heute für viele heimische Rapper eine Selbstverständlichkeit ist. Der Panikrocker knüpfte dabei auf Platten wie „Ball Pompös“ auch an ältere Traditionen der populären Musik an, sei es beim Tango mit Geiger „Rudi Ratlos“ oder per Rockversion des Marlene-Dietrich-Titels „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“. Auch im Gronauer Museum wird Popgeschichte lebendig, zum Beispiel durch eine Gitarre von Pete Townshend (The Who), ein Hemd von Jimi Hendrix oder einen Originalbrief, mit dem sich Elvis Presley einst bei einem weiblichen Fan für ein Kuscheltier bedankte. Die neu konzipierte Ausstellung setzt aber weniger als bisher auf eine chronologische Präsentation, sie lotet vor allem die unterschiedlichen Dimensionen der Popwelt aus – Körperlichkeit und Rebellion ebenso wie Technik, Vermarktung und Fankultur. Gerade letztere hat nicht selten Biografien und Identitäten geprägt, etwa durch die Arbeit in Fanclubs, durch Kontakte, Kleidungsstile oder Reisen auf den Spuren des Lieblingsstars.

Kraut, Punk und Schlager

Das Interesse an Pop, Rock und Rap verbindet Menschen aus aller Welt. Das Gronauer Museum hat sein Thema daher von Anfang an aus internationaler Perspektive betrachtet, zum Beispiel bei Sonderausstellungen über die Rolling Stones, Michael Jackson oder den „Eurovision Song Contest“, den das ältere Publikum noch als „Grand Prix Eurovision de la Chanson“ kennt. Da die nahe Grenze zu den Niederlanden überdies viele Menschen aus dem Nachbarland anlockt, haben Namen und Ereignisse der niederländischen Popszene in der Ausstellung ebenfalls ihren Platz. Mit der Neugestaltung des Museums wird der Blick aber zugleich verstärkt auch auf die poppigen Seiten Nordrhein-Westfalens gerichtet. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der eingangs schon erwähnten Stadt Düsseldorf, die nicht nur als Zentrum der elektronischen Musik Pophistorie geschrieben hat, sondern auch als lautstarke Wiege des deutschen Punks – mit dem legendären „Ratinger Hof“ als Kristallisationspunkt. Doch gleichgültig, ob man sich eher für die drei Akkorde des Punks oder für die vertrackten Experimente des Krautrocks begeistert, ob man Heavy Metal liebt oder für Schlager schwärmt, ob man deutsche oder englische Texte bevorzugt – das Rock’n’Popmuseum vermittelt umfassende optische und akustische Eindrücke aus allen Bereichen der Popkultur. Es ist nicht zuletzt die Möglichkeit, über den Tellerrand der eigenen Vorlieben hinaus neugierig auf unvertraute Klänge zu lauschen und ungewohnte Szenerien zu betrachten, die den Museumsbesuch zum unterhaltsamen Erlebnis macht. Schließlich gehört die Blickfelderweiterung zu den wichtigsten Aufgaben der kreativen Künste. Oder um es mit Udo Lindenberg zu sagen: „Hinter dem Horizont geht’s weiter …“

Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 2/2018

Unser Engagement
Hubert Dierselhuis und seine Mitstreiter vom „Freundeskreis rock’n’popmuseum e. V.“ unterstützen ehrenamtlich die Aktivitäten und Vernetzungen des Rock und Popmuseums. Auch beim Umbau und der Erweiterung der Dauerausstellung setzte der Förderverein sich für das Museum ein. Die NRW-Stiftung half bei der Finanzierung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit, bei der Ausstellungstechnik und bei der Medien- Hardware. Das Museum konnte am 24.11.2018 neu eröffnet werden.


Standort

rock’n’popmuseum
Udo-Lindenberg-Platz 1
48599 Gronau
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