Die Rückkehr der Waldweide

Naturschutzgebiet „Auf dem Giebel" in Altena

Nördlich des Altenaer Stadtteils Dahle eröffnet sich Wanderern ein ungewöhnliches Panorama: Statt durch düstere Fichtenforste oder über kahle Bergkuppen zu streifen, können sie im Naturschutzgebiet „Auf dem Giebel“ den Blick schweifen lassen in ein von einem Quellbach durchströmtes, sattgrünes Tal. Dahinter erstreckt sich ein Mosaik aus lichtem Laubwald und offener Heide, auf der Wacholder wächst und uralte, mächtige Eichen in den Himmel ragen.

Diese Reste einer von wertvollem Grünland flankierten Heidelandschaft inmitten des Nadelforstes ist ein Relikt einer einst verbreiteten Landnutzungsform: der Waldweide oder Hute-Beweidung. Von der Jungsteinzeit bis in die Neuzeit nutzten Menschen die Ressourcen des Waldes, um ihr Vieh zu mästen. Schweine, Gänse und Rinder wurden in den Wald getrieben und ernährten sich von Eicheln, Bucheckern und dem saftigen Grün junger Bäume.

Über Jahrhunderte hinweg formte die Weidewirtschaft so eine heute fast verschwundene Landschaft, die sich durch lockere, lichte Wälder und weitgehend offene, mit Gräsern und Heidekraut bewachsene Heiden mit verstreuten mächtigen Solitärbäumen auszeichnet. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war diese Landnutzung auch im Sauerland verbreitet. Das preußische Kataster weist für die Zeit um 1830 allein für den Raum um das Naturschutzgebiet „Auf dem Giebel“ etwa 1.500 Hektar Heideflächen aus.

Saubere Gewässer sind Lebensraum für eine Vielzahl von Insekten, darunter der Blaugrünen Mosaikjungfer.

Die Raupenfliege „Nowickia ferox“ ist eine verbreitete Insektenart entlang von Nadelwaldrändern und offenen Heiden.

Die eingeschleppte invasive Kanadische Goldrute hat sich bis in die Wacholderheide hinein ausgebreitet.

Wald, Reste von Heide und Grünland: „Auf dem Giebel“ hat sich eine vielfältige Landschaft erhalten.

Hotspots der Artenvielfalt

Diese Landschaftsform soll hier ein Comeback erleben – denn neben der Bewahrung einer alten Kulturlandschaft gibt es einen weiteren guten Grund für eine Renaissance der Waldweide: Hutewälder sind Hotspots der Artenvielfalt. Lichtliebende Pflanzen finden auf Heide und Grünland ebenso einen Lebensraum wie Libellen, Wildbienen und Vögel. Der Dung der Weidetiere reichert den mageren Boden mit Nährstoffen an und zieht Insekten an, die wiederum die Nahrungsgrundlage für Vögel schaffen. So besiedeln Neuntöter und Baumpieper das Gebiet – andernorts selten gewordene Arten, die auf ein Leben im Grenzbereich zwischen Wald und Offenland spezialisiert sind. 

Um die ganze Vielfalt früherer Zeiten im Gebiet wiederherzustellen, bedarf es wahrscheinlich noch viele Jahre harter Arbeit, sagt der Leiter des Naturschutzzentrums des SGV, Josef Räkers. Jahrhunderte ohne Waldweide lassen sich nicht über Nacht rückgängig machen. Mit Pflanzenarten wie dem Behaarten Ginster, der Preiselbeere und dem Wacholder haben aber auch einige typische Bewohner traditioneller Hutelandschaften überlebt, die heute auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen. 

Um die naturnahe Entwicklung zu fördern, hat das Naturschutzzentrum Märkischer Kreis ein Konzept entwickelt, das auch eine Pflege durch Beweidung vorsieht. Neben den bereits bisher von einer Mutterkuhherde beweideten Parzellen werden momentan weitere Bereiche durch Zäunung und Gespräche mit den Behörden für die Beweidung vorbereitet.

Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 2/2024 | Text: Thomas Krumenacker

Unser Engagement

Mit Unterstützung der NRW-Stiftung erwarb der Sauerländische Gebirgsverein in den vergangenen Jahren schrittweise rund 12 Hektar Flächen innerhalb des Naturschutzgebietes Auf dem Giebel. Gemeinsam mit dem Naturschutzzentrum Märkischer Kreis e. V. arbeitet der Verein daran, dem Gebiet seinen früheren Charakter zurückzugeben.


Weitere Informationen

Naturschutzzentrum Märkischer Kreis e. V.
Oelken 79
58515 Lüdenscheid
Naturschutzzentrum Märkischer Kreis e. V.

Standort

Naturschutzgebiet „Auf dem Giebel"
58762 Altena
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