Die unsichtbare Sensation

Das Deutsche Röntgen-Museum Remscheid-Lennep

Röntgenstrahlen sind unsichtbar, trotzdem haben sie uns eine verborgene Welt enthüllt. Es ist eine Welt voll erstaunlicher Kontraste, wie das Deutsche Röntgenmuseum in Remscheid-Lennep beweist. Vom Physiklabor bis hin zur Jahrmarktbude erlebt man hier das faszinierende Panorama einer wissenschaftlichen Sensation mit all ihren aufsehenerregenden und manchmal auch kuriosen Folgen. Überall gibt es etwas zu entdecken und auszuprobieren. Man kann durch den „Zeittunnel“ wandern, darf neugierig in fremden Schränken herumstöbern und sogar dreidimensionale Blicke in die Vergangenheit werfen. Natürlich erfährt man auch, wer eigentlich Wilhelm Conrad Röntgen aus Lennep war: ein weltberühmter Physiker, der mit seiner großen Entdeckung nie Geld verdiente.

Der sogenannte Zeittunnel führt entlang an faszinierenden Röntgenaufnahmen. Er verbindet den Ausstellungsbereich im historischen Gebäudeteil mit den modernen Räumen.

Seine große Entdeckung machte Wilhelm Conrad Röntgen während seiner Zeit an der Universität Würzburg. Auf dem Foto sein Würzburger Labor in einer Aufnahme aus dem Jahr 1923.

Geräte aus einer Arztpraxis von 1905 - zehn Jahre nach der Entdeckung der X-Strahlen. Die Röntgenröhre auf dem Stativ hat noch keine Bleiabschirmung. Die Hochspannung ist quer durch den Raum verlegt.

Ein Lungensteckschuss im Röntgenbild. Die Aufnahme entstand im Zweiten Weltkrieg. Sie stammt aus dem Nachlass des Mediziners Professor Hans Köhnle, heute im Röntgen-Museum.

Erkenntnis in der Dunkelheit
Seine große Entdeckung gelang Röntgen während einer Novembernacht 1895 in Würzburg. In seinem dortigen Labor untersuchte er das blaue Licht, das bei hohen elektrischen Spannungen in gasgefüllten Elektronenröhren entsteht. Er war auf der Suche nach der Ursache dieses Leuchtens. Zufällig beobachtete er, dass bestimmte Materialien in der Nähe der Röhre zu schimmern — zu „fluoreszieren“ — begannen. Er glaubte zuerst, das blaue Licht sei für den Effekt verantwortlich. Um seine Annahme zu überprüfen, deckte der Forscher die Röhre mit schwarzem Karton ab, bis er sich in völliger Dunkelheit befand, genauer gesagt: in fast völliger Dunkelheit, denn ein leuchtfähiger Papierschirm auf seinem Tisch schimmerte unbeirrt weiter. Röntgen schloss daraus, dass von der Röhre eine unsichtbare Strahlung ausging, die anders als das Licht die Kartonhülle zu durchdringen vermochte und der wahre Verursacher der Fluoreszenz war.

Die Folgerung bestätigte sich: Selbst ein dickes Buch konnte die Strahlung nicht aufhalten, Gummi, Holz oder Aluminium bremsten sie ebenfalls nur wenig. Stark hemmend wirkte hingegen das sehr dichte Blei — Röntgens Labortür, die mit Bleifarbe gestrichen war, lieferte dafür die ersten Indizien. Das spektakulärste Ergebnis der Experimente zeigte sich jedoch, als der Physiker zunächst seine eigene und später auch die Hand seiner Frau durchleuchtete: Haut und Gewebe zeigten sich dabei durchlässiger als die Fingerknochen, die sich folgerichtig auf einem fluoreszierenden Schirm als dunkle Schatten abzeichneten. Das Bild ließ sich sogar auf Fotoplatten bannen, die von den unsichtbaren Strahlen „lichtlos belichtet“ wurden.

Das Röntgen-Museum demonstriert den Versuchsaufbau von 1895 in einem abgedunkelten Raum. Multimediastationen erläutern die naturwissenschaftlichen und historischen Hintergründe. Sogar die Durchleuchtung einer Hand lässt sich ohne Gefahr simulieren: In der von Röntgen benutzen Gasentladungsröhre werden Elektronen mit vielen Tausend Volt von einem Pol zum andern gejagt, bis die gläserne Hülle sie schlagartig abbremst. Die Bewegungsenergie verwandelt sich dadurch zu 99 Prozent in Wärme. Ein Prozent wird hingegen als kurzwellige elektromagnetische Strahlung frei, die viele Materialien durchdringen kann und die ihr Entdecker X-Strahlen nannte. Im Englischen ist der Ausdruck „X-Rays“ bis heute gebräuchlich, doch in Deutschland plädierte man schon 1896 für die Bezeichnung „Röntgen´sche Strahlen“. Auf diese Weise wurde der Name des Entdeckers zu einem physikalischen Begriff und sogar zu einem Tätigkeitswort, etwa wenn es gilt, einen gebrochenen Arm zu „röntgen“.

Blick in das Schauarchiv mit zahlreichen historischen Apparaturen aus den Museumsbeständen.

Foto: Deutsches Röntgen-Museum
Foto: Deutsches Röntgen-Museum

Museum im Wandel
Als die Begeisterung über Röntgens Entdeckung auch in dessen Geburtsort Lennep schwappte, fragte man sich hier anfangs, ob der Physiker tatsächlich ein Sohn der Stadt sei — was der auf Anfrage aber gern bestätigte. So wurde 1932, neun Jahre nach dem Tod des Nobelpreisträgers, in einem schieferverkleideten Lenneper Patrizierhaus erstmals ein Röntgenmuseum eingerichtet. In den 1930er und 1950er Jahren zweimal erweitert verfügt es heute insgesamt über drei Häuser. Lange Zeit war es primär fachlich orientiert und fand beim breiten Publikum nur ein geringes Echo. Doch in den letzten Jahren hat sich das Museum in mehreren Schritten verwandelt. Es bietet nun viele Mitmachmöglichkeiten und widmet sich auch den unterhaltsamen Aspekten der Röntgengeschichte. Bei der Umgestaltung wurde das alte Patrizierhaus teilweise in eine Glasarchitektur einbezogen. Röntgens große Entdeckung, sein Leben, der Nobelpreis und die „Röntgenmania“ bilden hier die Schwerpunkte. Anschließend gelangt man durch den „Zeittunnel“ in Haus 2, wo es um die X-Strahlen in Krieg und Frieden geht. Haus 3 beherbergt seit 2015 das Schauarchiv — eine Präsentation historischer Geräte aus der Schatzkammer des Museums. Man muss nicht jedes technische Detail verstehen, um davon fasziniert zu sein, zumal manche ältere Apparate fast wie Requisiten aus Sciene-Fiction-Klassikern wie „Metropolis“ aussehen. Erläutert werden außerdem die heutigen Anwendungsbereiche der Röntgentechnik — von der Werkstoffprüfung über die Mumienforschung bis hin zu Denkmalschutz und Astronomie. Ein ganzer Raum ist der medizinischen Bildgebung gewidmet. Hier steht die „gläserne Frau“ im Mittelpunkt, die für unser Auge so durchsichtig ist wie ein realer menschlicher Körper für die Röntgenstrahlung.

In diesem Haus am Lenneper Gänsemarkt kam Wilhelm Conrad Röntgen 1845 als Sohn einer Tuchhändlerfamilie zur Welt.

Blick in die Ausstellung im Geburtshaus, die mehr über das Leben Röntgens vermittelt.

Foto: Deutsches Röntgen-Museum

Das Geburtshaus als Lebensbegleiter
Röntgenstrahlen enthüllen Verborgenes, doch hätte ihr Entdecker beruflich seinem Vater nachgeeifert, dann wäre stattdessen die Verhüllung zu seinem Lebensthema geworden — kam er doch als Sohn eines Tuchhändlers zur Welt. Tuchfabrikation und –handel waren in Lennep stark verankert, die Familie Röntgen wanderte trotzdem im Revolutionsjahr 1848 zu Verwandten ins niederländische Apeldoorn aus, wo sie es zu beträchtlichem Vermögen brachte. Der spätere Nobelpreisträger verlebte so einen großen Teil seiner Jugend in den Niederlanden und schrieb auch seine erste wissenschaftliche Veröffentlichung auf Niederländisch. Seinem Geburtshaus in Lennep, das er schon als Dreijähriger verlassen hatte, blieb er trotzdem verbunden. Er hatte es sogar immer vor Augen — in Form eines Modells, das sein Vater gebaut hatte und das heute als Ausstellungsstück zu bewundern ist.

Das echte Geburtshaus liegt rund zweihundert Meter entfernt am Lenneper Gänsemarkt. Es diente als Metzgerei, bevor es 1964 Eigentum der Stadt Remscheid wurde. Lange beherbergte es die Bibliothek des Deutschen Röntgen-Museums, doch 2011 brachte einen Neustart: Die Deutsche Röntgengesellschaft erwarb das denkmalgeschützte Gebäude und übergab es der „Stiftung Geburtshaus Wilhelm Conrad Röntgen“, um eine internationale wissenschaftliche Begegnungsstätte mit einem Gästezimmer einzurichten. Das Haus, dessen Raumaufteilung inzwischen wieder dem Zustand zur Zeit von Röntgens Geburt entspricht, dient nun als Tagungsort und Treffpunkt. Auch bei der jährlichen Verleihung der Röntgen-Plakette — eines seit 1951 von der Stadt Remscheid vergebenen Wissenschaftspreises — wird es künftig eine zentrale Rolle spielen. Die endgültige Einweihung findet an Röntgens 175. Geburtstag am 27. März 2020 statt, doch schon im Frühjahr 2019 wurde im Erdgeschoss die Ausstellung „Begegnung mit Röntgen“ eröffnet. In authentischem Ambiente widmet sie sich der Biografie und der weltweiten Vernetzung des Forschers, zeigt Gegenstände aus seinem Nachlass und handschriftliche Dokumente. Als Ergänzung zum Röntgenmuseum beweist auch diese Präsentation, wie sich Wissenschaft ganz nach dem Vorbild der X-Strahlung vermitteln lässt: Ohne an der Oberfläche zu bleiben.

Stand der Angaben:  Magazin 2/2019 | Textgrundlage: Ralf J. Günther

Das Projekt „Röntgenmuseum“ in unserem Förderbande-Podcast

Unser Engagement

Auf Initiative der „Gesellschaft der Freunde und Förderer des Deutschen Röntgenmuseums“ hat die NRW-Stiftung die Entwicklung des Museums mehrfach gefördert: Bei der umfassenden Neugestaltung der Dauerausstellung, der Neukonzeption des Schauarchives sowie zuletzt bei der Entwicklung und Bereitstellung von „Science-Kits“ für örtliche und mobile Schullabor-Arbeit. Die Deutsche Röntgengesellschaft wurde von der NRW-Stiftung bei der Gestaltung der biografischen Ausstellung im Röntgen-Geburtshaus unterstützt.

 


Standort

Deutsches Röntgen-Museum in Remscheid
Schwelmer Straße 41
42897 Remscheid
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