Das Grab und die steinernen Sessel

Eine römische Grabkammer in Köln-Weiden sieht aus wie ein römisches Speisezimmer. Sie war bisher nur selten zugänglich, doch die NRW-Stiftung rückt sie jetzt in den Fokus.

Der 1975 eingemeindete Vorort Weiden liegt im äußersten Westen Kölns, rund zehn Kilometer vom Zentrum entfernt. Im April 1843 fanden hier Ausschachtungen für eine Lagerhalle statt, bei denen man auf eine unterirdische Treppe stieß. Sie endete an einer Steinplatte, hinter der sich zur Enttäuschung des Grundstückseigentümers zwar kein Goldschatz verbarg, dafür aber eine eingestürzte römische Grabanlage. Die Bedeutung des Fundes wurde rasch erkannt, und es wurde ebenso rasch gehandelt: Der preußische Staat erwarb das Bodendenkmal und ließ es in den folgenden Jahren durch den Kölner Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner wiederherstellen und mit einem Schutzbau sowie einem Wärterhaus versehen. Das waren die ersten Maßnahmen des staatlich finanzierten archäologischen Denkmalschutzes im preußischen Rheinland. Das Römergrab in Weiden hat insofern auch als „Denkmal der Denkmalpflege“ historische Bedeutung.

Ein reich verzierter Steinsarkophag steht im Zentrum der Grabkammer im Kölner Stadtteil Weiden. Er stammt vermutlich aus Rom.

Der Sarg steht nicht etwa in einem schlichten Kellerraum. Ringsum ist alles im Stile eines römischen Speisezimmers verziert.

Bereits im 19. Jahrhundert bauten die Preußen einen Schutzbau über dem Eingang des Grabes.

Die Büsten einer Frau und eines Mannes datieren aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Ihre Namen sind nicht überliefert.

Büsten und Nischen

Zwirners Rettungsarbeiten machten eine rund 16 Quadratmeter große Grabkammer wieder zugänglich, die einem römischen Speisezimmer glich — einem Triklinium. Der Name bezieht sich auf die drei Speisesofas, die „Klinen“, die in solchen Zimmern üblicherweise hufeisenförmig aufgestellt wurden. In der Grabkammer sind sie als marmorgeschmückte Wandnischen ausgeführt. Frei im Raum stehen hingegen zwei imposante, aus Kalkstein geformte Korbsessel. Sie erinnern daran, dass nach ursprünglicher, wenn auch oft missachteter römischer Sitte nur die Männer bei den Mahlzeiten lagen, während die Frauen im Sitzen aßen. Die Porträtbüsten zweier weiblicher und einer männlichen Person gehören im Übrigen ebenfalls zur Ausstattung der Grabkammer. Sie stammen vom Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus und damit noch aus den früheren Tagen der Anlage, die nach Ausweis von Münzfunden und anderen Indizien vom 2. bis zum 4. Jahrhundert in Gebrauch war.

Die Büsten stammen aus einer Zeit, in der die Toten verbrannt wurden. Auch in der Weidener Grabkammer standen Urnen mit Leichenbrand. Die 29 kleineren Wandnischen dienten allerdings dazu, Totengaben und Öllampen aufzunehmen, die den Raum erhellten. Später praktizierten die Römer die Körperbestattung. Davon zeugt im Römergrab ein mächtiger, um das Jahr 300 n. Chr. entstandener Sarkophag, der sich ursprünglich in einem oberirdischen Gebäudeteil befand. Erst bei dessen Einsturz wurde er in die Tiefe verfrachtet. Durch den schmalen Eingang der unterirdischen Kammer, in der er jetzt steht, hätte er jedenfalls nicht gepasst.

Grabkammern waren im römischen Reich keine Seltenheit. Mit ihrer Inszenierung ewiger Tafelfreuden im Reich der Toten ist die Weidener Begräbnisstätte aber etwas Besonderes. Sie gehörte nach Überzeugung der Wissenschaftler zu einer „villa rustica“, das heißt zu einem der großen römischen Landgüter. Ihre Ernteüberschüsse lieferten sie in die nahe gelegenen Militärlager und Städte. Die Gutsfamilie muss sehr wohlhabend gewesen sein, sie gab sich in der germanischen Provinz außerdem betont „römisch“, wie die Porträtbüsten und der eigens aus Rom importierte Sarkophag unterstreichen. Der Aufwand hätte städtischen Ansprüchen genügt, doch lag das Landgut auch keineswegs in völliger Abgeschiedenheit, sondern an der wichtigen Straße von Köln nach Tongern und weiter bis an die Kanalküste. Die heute gern als „Via Belgica“ bezeichnete Strecke war nicht zuletzt für den Handel mit Britannien von Bedeutung und entsprechend belebt. Vielleicht gab es unweit der Weidener Villa sogar eine Raststation, eine „taberna“ oder „mansio“. In römischer Zeit fand man an den großen Straßen in regelmäßigen Abständen Herbergen, Ställe und Werkstätten.

Lern- und Erlebnisort

Das Römergrab in Weiden ist mit Unterstützung der NRW-Stiftung zum authentischen Erlebnisort geworden. Impressionen und Besucherinfos finden sich auf seiner Website.


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Auch heute noch liegt das Römergrab an einer viel befahrenen Ausfallstraße. Doch ausgerechnet in unserem verkehrsreichen und hochmobilen Zeitalter senkte sich jahrzehntelanger Dornröschenschlaf über die Fundstätte, auf die bis vor kurzem nicht einmal ein weithin sichtbarer Schriftzug hinwies. Die wenigen Besucherinnen und Besucher, die dennoch bis zur Aachener Straße, Hausnummer 1328, vordrangen, konnten früher bei den Bewohnern des Wärterhauses den Schlüssel zu der unterirdischen Kammer ausleihen. Doch schon seit vielen Jahren standen die Menschen meist vor verschlossener Tür. Zum Glück hat sich der 2017 gegründete „Förderverein Römergrab Weiden e. V.“ nun darangemacht, den Ort wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Grundlage dafür war ein Vertrag mit der Bezirksregierung Köln als Vertreterin des Landes Nordrhein-Westfalen, dem das Römergrab gehört.

Römergrab Weiden
  • Standort: Köln-Weiden
  • Erbaut: ca. 2. Jahrhundert n. Chr.
  • Wiederentdeckt: 1843
  • Zugänglich seit: 1848
  • Neue Ausstellung seit: 2019

MEHR ERFAHREN

Die Trauer der Valeria

Ein großes Banner mit der Aufschrift „Roemergrab Weiden“ ist inzwischen nicht mehr zu übersehen, auch die Umbenennung der nahen Straßenbahnhaltestelle von „Schulstraße“ in „Weiden Römergrab“ ist bereits beschlossen. Vor allem kam es dem Verein unter dem Vorsitz des Archäologen Professor Dr. Heinz Günter Horn aber auf die Schaffung eines attraktiven Erlebnis- und Lernorts an. Die Grabkammer selbst durfte dabei durch eine Informationsmöblierung nicht in ihrer authentischen Raumwirkung beeinträchtigt werden. Stattdessen nutzte man das leerstehende Wärterhaus aus dem 19. Jahrhundert für eine barrierefreie Ausstellung, die im Juli 2019 eröffnet wurde. Sie befasst sich mit Totenkult und Göttern, der Romanisierung des Rheinlandes und dem römischen Alltag. Auch Gestalt und Entdeckungsgeschichte der Grabkammer werden eingehend erläutert. Letztere darf zudem durch Einbeziehung in die Tourismusroute des UNESCO- Welterbe-Projekts „Niedergermanischer Limes“ auf vermehrte Aufmerksamkeit hoffen.

Prominente Unterstützerinnen und Unterstützer fanden sich ebenfalls: Schauspielerin Mariele Millowitsch und Kabarettist Jürgen Becker übernahmen für die Audiostation „Die letzte Ehre“ die Rollen der trauernden Witwe Valeria Vidua und des geschäftstüchtigen Bestatters Caius Caldinius Libitinarius. Das Duo Rainer Pause und Martin Stankowski stellte dem Römergrab die Erlöse aus einer Aufführung seines thematisch passenden Programms „Tod im Rheinland“ zur Verfügung, das als „kabarettistische Knochenlese“ seit Jahren ein großer Publikumserfolg ist. Bei so viel Engagement wird es nicht nur in Nordrhein-Westfalen schon bald kein Geheimnis mehr sein, dass in Köln-Weiden eine der am besten erhaltenen römischen Begräbnisstätten nördlich der Alpen auf Besucherinnen und Besucher wartet. Um es mit der Webseite des Betreibervereins zu sagen: Selbst in Rom wäre die Grabkammer eine Attraktion.

Die NRW-Stiftung förderte den Umbau des Wächterhauses des Römergrabs in Köln-Weiden mit 120.000 Euro. Hier entstand ein außerschulischer Lern- und Erlebnisort, der im Sommer 2019 feierlich eröffnet wurde.

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 2-2019 unseres Stiftungsmagazins NRW Natur-Heimat-Kultur.

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