Der Maler und die Göttin

Das Koekkoek-Haus in Kleve

Deutsche, die sich fragen, wie man den Namen „Koekkoek“ richtig ausspricht, werden im Klever Koekkoek-Haus leicht Niederländer finden, die ihnen helfen, denn für unsere niederländischen Nachbarn ist das Haus ein beliebtes Ziel. Kein Wunder: Der hochangesehene Malerfürst Barend Cornelis Koekkoek (sprich: kukuk) wurde 1803 in Middelburg in der Provinz Zeeland geboren. Zu seinen Auftraggebern zählten niederländische Könige, aber auch Friedrich Wilhelm IV. von Preußen oder der russische Zar Alexander II. Im Jahr 1834 kam Koekkoek nach Kleve, wo er zum Begründer der sogenannten Klever Romantik wurde. Mit seinem außergewöhnlichen Wohnpalais schuf er sich zudem in der Stadt eine Residenz, die zu den bedeutendsten Künstlerhäusern des 19. Jahrhunderts zählt. Auch eine Göttin ist hier zu Hause. 

Rund 100.000 Menschen besuchten im Herbst und Winter 2010/11 die Eremitage im russischen St. Petersburg, um Bilder der niederländischen und der Klever Romantik zu sehen – in einer Ausstellung, die später auch nach Kleve selbst kam. Kein Zweifel: Barend Cornelis Koekkoek gehört zu den großen Namen der Kunstgeschichte. Man bezeichnet ihn als wichtigsten niederländischen Maler des 19. Jahrhunderts vor Vincent van Gogh. Der Porträt- und Landschaftsspezialist, der aus einer Künstlerfamilie stammte, knüpfte mit seinen Werken an Vorbilder aus dem 17. Jahrhundert an. Vor allem seine stimmungsvollen Winterszenen machten ihn berühmt – und schon zu Lebzeiten sehr wohlhabend. Heutzutage erzielen seine Bilder bei bedeutenden Auktionshäusern wie Sotheby’s und Christie’s teilweise Millionenbeträge.

Das B.C.-Koekkoek-Haus liegt in der Klever Unterstadt.

Der Maler Barend Cornelis Koekkoek gilt als Begründer der „Klever Romantik“.

Büste des Malers.

Künstlerhaus mit Geschichte

In Kleve kaufte Koekkoek 1843 ein Grundstück vor der ehemaligen Stadtbefestigung. Hier ließ er sich einen Atelierturm mit fantastischem Blick über die Rheinebene errichten. Einige Jahre später kam ein großes Palais hinzu, in dem der „Malerfürst“ fortan wohnte und hochrangige Gäste empfing. Das viergeschossige Gebäude, für das Koekkoek den Klever Architekten Anton Weinhagen hinzuzog, gehört zu den bauhistorischen Perlen des Niederrheins und zu den herausragenden Künstlerhäusern des 19. Jahrhunderts. Man darf es mit dem berühmten Münchener Lenbachhaus vergleichen, das allerdings erst 40 Jahre später entstand. Den Zweiten Weltkrieg überdauerte Koekkoeks Haus inmitten schwerer Zerstörungen nahezu unversehrt. Nach dem Krieg diente es eine Zeitlang als Rathaus und ab 1960 als städtisches Museum. 

Als das Stadtmuseum 1996 ins historische Klever Kurhaus umzog, wäre der Koekkoek-Palazzo beinahe zum Geschäftssitz einer Bank geworden. Doch der Freundeskreis „Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e. V.“ wollte die bedeutende Kunststätte nicht einfach preisgeben. Man begann Spenden zu sammeln und erhielt Unterstützung vom „Rijksdienst Beeldende Kunst“ in Den Haag, der mehrere Werke aus der Malerfamilie Koekkoek als Dauerleihgabe des niederländischen Staates zusagte. Entscheidende Hilfe kam schließlich von der NRW-Stiftung, die das Gebäude erwarb und es der „Stiftung B. C. Koekkoek-Haus“ zur Verfügung stellte. Seit 1998 finden Besucher in dem Museum einen Überblick über die romantische Landschaftsmalerei des 19. Jahr- hunderts – eingebettet in die authentische Atmosphäre eines einzigartigen Künstlerdomizils. 

Der zuerst erbaute Atelierturm wird heute privat bewohnt, ist aber weiterhin Teil des architektonischen Erbes, das Koekkoek hinterlassen hat. In diesem Turm – seinem dreigeschossigen „Belvedere“ – hat er viele Werke geschaffen und dabei der Natur nachzueifern versucht, die für ihn die „perfekte Malerei“ war. Der Turm diente aber nicht nur als Entstehungsort für Kunstwerke, sondern auch als Sockel für ein Kunstwerk. Denn Koekkoek ließ auf dem Dach eine hölzerne, fast drei Meter hohe Statue aufrichten, die für einen wahrhaft göttlichen Anblick sorgte, stellte sie doch niemand Geringeres dar als Minerva alias Pallas Athene.

Minerva am Niederrhein

Als Göttin der Künste und Fertigkeiten war Minerva im alten Rom Schirmherrin für Handwerker, Lehrer, Künstler, Ärzte, Dichter und Schauspieler. An den Niederrhein kam sie bereits in der Antike, schließlich war ihr schon im römischen Xanten ein Tempel geweiht. Die Stadt Kleve gab es da noch nicht, doch dafür erlangte die Gottheit hier im 17. Jahrhundert besondere Ehren. Denn 1660 schenkte die Stadt Amsterdam dem damaligen brandenburgischen Statthalter in Kleve – Prinz Johann Moritz von Nassau – eine Minervastatue für die prachtvollen Gartenanlagen, die er rund um die Stadt anlegen ließ. Noch heute kann man diese Statue am sogenannten Klever Amphitheater bewundern. 

Barend Cornelis Koekkoek war zwar kein Adliger, als Fürst der Kunst hatte er aber Selbstbewusstsein genug, um seine eigene Minerva hoch über ihre barocke Schwester emporzuheben. Sein Künstlerkollege Ignatius Johannes Stracke aus Rees gestaltete die Figur, die in ihrer luftigen Höhe mit Schild, Medusenhaupt und Speer dastand. Unzählige Male neu angestrichen widersetzte sich die Statue bis 1930 Wind und Wetter. Dann war sie so morsch, dass sie in sich zusammenbrach. Anhand der Überreste entstand 1995 eine Rekonstruktion aus Gips, die im Koekkoek-Haus gezeigt wurde. Doch nun soll Minerva auch wieder auf den Atelierturm zurückkehren. Im Amsterdamer Rijksmuseum entsteht sie anhand des Gipsmodells noch einmal in Originalgröße – höhentauglich und wetterfest als Acrylat-Guss. Wenn sie wieder die Klever Skyline ziert, darf man sich auf einen im wahrsten Sinne des Wortes himmlischen Anblick freuen.

Auf Reisen mit dem König

Vor genau 150 Jahren starb Barend Cornelis Koekkoek. Es lohnt sich, ihm zu seinem Gedenkjahr einen Besuch abzustatten. Ganz unkompliziert geht das im Internet, denn die Homepage des Koekkoek-Hauses bietet neuerdings einen Online-Rundgang durch alle Etagen an. Spannender ist natürlich ein Besuch vor Ort, da in diesem Jahr wichtige Ausstellungen stattfinden. Eine gibt unter dem Titel „Im Kreise der Romantik“ einen Überblick über das künstlerische Gesamt- wirken des Malers. Ab September heißt dann eine weitere Ausstellung: „Gemalt für den König“. Bis Januar 2013 stehen dabei Werke im Mittelpunkt, die Koekkoek von 1846 bis 1848 im Auftrag des niederländischen Königs Willem II. geschaffen hat. Die Bilder, die als die bedeutendsten des Künstlers gelten, erinnern an eine Reise durch Luxemburg. Der König, der damals auch luxemburgischer Großherzog war, hatte Koekkoek dazu eingeladen. Die Ausstellung leitet in das Jahr 2013 hinüber, in dem die niederländische Monarchie ihr 200-jähriges Bestehen feiert.

Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 2/2012

Unser Engagement

Der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e. V., die Stadt Kleve und die NRW-Stiftung haben gemeinsam die Stiftung B. C. Koekkoek-Haus gegründet, um das Künstlerhaus des Landschaftsmalers inmitten der Klever Innenstadt zu sichern und als Museum öffentlich zugänglich zu machen.


Standort

B.C. Koekkoek-Haus
Koekkoekplatz 1
47533 Kleve
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