MUSEUM FÜR BADEKULTUR/RÖMERTHERMEN ZÜLPICH
BENE LAVA ! – BADESPASS NICHT NUR AUF RÖMISCH
"Ich wohne genau über einem Bad. Stell dir den schrecklichen Lärm, das wirre Geschrei in allen Tonlagen vor! Am liebsten möchte man taub sein. Ich höre das Stöhnen der Leute, die mit den Hanteln arbeiten. Wenn jemand sich massieren lässt, dann höre ich das Klatschen der Hände auf seinem Rücken. Und dann die, die sich in das Schwimmbecken stürzen, dass es nur so klatscht. Ganz zu schweigen von dem Geschrei der Getränke-, Wurst- und Süßwarenhändler und des Kneipenpersonals." So drastisch er ihn auch beschrieb – lärmender Badehausbetrieb war für den römischen Philosophen Lucius Annaeus Seneca so alltäglich, dass er sich nach eigenem Bekunden davon kaum noch stören ließ. Dabei hatte das römische Badewesen zur Zeit Senecas, der im Jahr 65 n. Chr. starb, seinen Höhepunkt noch gar nicht erreicht. Zwar zählte man zu Beginn des ersten Jahrhunderts allein in Rom schon rund 170 Badehäuser – aber unter Kaiser Konstantin dem Großen sollen es im vierten Jahrhundert sogar mehr als 850 gewesen sein!


Sauber präsentiert
Römische Thermenanlagen sind von einigen charakteristischen Grundzügen geprägt. Der Besucher zog sich üblicherweise zunächst im Umkleideraum aus. Danach stieg er in eine Wanne oder ein Becken des "Heißbades" mit Wassertemperaturen von rund 40 Grad. Nur etwa 25 Grad herrschten hingegen im "Warmbad" – einem Trockenraum, in dem man sich anschließend ausruhte oder massieren ließ. Manche Badegäste entschieden sich auch für eine Schwitzkur im "Sudatorium", einer Art Sauna. Zum Schluss des Badegangs warteten dann im "Kaltbad" kühle Güsse.
Die beschriebenen Räume gab es auch in Zülpich. Und wie überall in den römischen Badehäusern pflegte man hier beim Baden auch Kontakte. Man traf Bekannte, tauschte Neuigkeiten aus und sprach über Geschäfte. Auf dem Gymnastikhof oder in einer Art Mehrzweckhalle – der "basilica thermarum" – konnte man sich auch sportlich betätigen. Eine solche Mehrzweckhalle wurde in "Tolbiacum" allerdings nicht vor Ende des dritten Jahrhunderts gebaut. Damals waren die Zülpicher Thermen schon rund 150 Jahre alt und hatten bereits verschiedene Umbauten hinter sich. Noch rund ein halbes Jahrhundert sollten sie weiter in Betrieb bleiben.
Waschechte Antike
Archäologische Ausgrabungen wie in Zülpich sind für Laien nicht immer leicht zu überblicken. Das Zülpicher Museum setzt daher in seiner Ausstellung stark auf "erlebbare Geschichte" – und auch auf Blicke über den römischen Tellerrand hinaus. Gleich zur Einstimmung werden dem Besucher beispielsweise die Badekulturen der Welt förmlich "zu Füßen" gelegt. Beim Betreten einer künstlichen Wasserfläche tauchen wie von Geisterhand Bildprojektionen zu Themen wie "indianische Schwitzhütten", "Hot Tubs in den USA", "Badekultur in Japan" und zu vielen anderen Kapiteln einer virtuellen "Badereise um die Welt" auf. Gesprochene Informationen sind zusätzlich abrufbar.
Der anschließende Rundgang durch die römische Ausgrabung macht die Funktionsweise des Badehauses leicht nachvollziehbar. Blaues und rotes Licht signalisiert etwa, wo man kalt oder warm badete. Die Überreste der antiken Fußbodenheizung – wegen deren Effizienz man im Heißbad besser Sandalen trug – sind besonders sehenswert. An fünf Stellen wurden früher in den Zülpicher Thermen Feuer unterhalten, um genügend warme Luft zu erzeugen. Sogar ein paar Reste echt "antiker" Holzkohlenasche haben sich aus dieser Zeit bis heute erhalten. Das neue Museum hingegen entfacht zwar die Neugier der Besucher, aber keine Flammen: Beim Heizen setzt es auf Geothermie, also auf Erdwärme.
"Waschechte" Ausstellungsstücke – z.B. eindrucksvolle römische Badewannen – gibt es in Zülpich zum Glück genug. Der Besucher sollte seine Blicke aber auch auf die hauchfeinen Gazetücher über der Ausgrabung richten: Dort kann er per Filmprojektion am Thermenbesuch der beiden Römer C. Octavius Maternus und M. Calpurnius Rufus teilnehmen. Er hört, wie die beiden während ihres Badegangs über die politische Lage des Jahres 260 n. Chr. und über die bevorstehende Getreideernte diskutieren – und wie sie am Ende auf den Sport im Gymnastikhof lieber zugunsten von Wein und Spanferkel verzichten. Die Spielszenen bringen die schweigsamen steinernen Überreste der Geschichte für die Besucher auf zwanglose Weise "zum Sprechen".
Bäder und Bordelle


Viele Vorurteile ranken sich auch um die "gepuderten" Zeiten des Barock und des Rokoko. Die Menschen dieser Epoche stehen unter dem Generalverdacht, Badewasser mehr gescheut zu haben als der Teufel das Weihwasser. Doch ganz so krass lagen die Dinge nicht. Insbesondere Heilbäder waren im Barock sehr beliebt. In Aachen erprobte z. B. der Arzt Franz Blondel seit etwa 1650 die Wirkung von Dusch- und Dampfbädern. Auch Badebecken gab es hier – in denen die Frauen aus Gründen der Sittsamkeit teilweise mit Bleigesäumte Röcke trugen, sodass die Stoffe nicht nach oben treiben konnten.
Eine Wanne zum Schaukeln


Es war der Aufbau effektiver Wasser- und Abwassersysteme, der die Voraussetzungen schuf, um aus dem Badezimmer die feste Installation zu machen, wie wir sie heute täglich nutzen. Die Auswirkungen auf Wasserverbrauch und natürliche Ressourcen machen dabei aus dem scheinbar so alltäglichen Thema der Hygiene längst auch eine Frage von umweltpolitischer Bedeutung. Wenn man Otto v. Bismarck daher gerne das Wort in den Mund legt, als Staatsmann müsse man versuchen, einen Zipfel vom "Mantel der Geschichte" zu ergreifen, so darf man nach einem Gang durch das Zülpicher Museum getrost hinzufügen: Manchmal gehört dieser Zipfel auch zu einem Bademantel.

Die rund 400 Quadratmeter großen Überreste eines römischen Badehauses sind das Glanzlicht des "Museums der Badekultur". Lange hatten sie unter dem alten Zülpicher Propsteimuseum eher eine Schattenexistenz geführt – der Museumsneubau erlaubt endlich eine "saubere"Präsentation. Er wertet auch den historischen Stadtkern von Zülpich stark auf. Das unter maßgeblicher Beteiligung des Archäologen Prof. Dr. Heinz Günter Horn realisierte Museum wurde u. a. vom NRW-Bauministerium, der NRW-Stiftung und der Euregionale gefördert.



So besang der Dichter Aloys Blumauer im 18. Jahrhundert den "Leibstuhl", jenen "größten aller Opferherde", vor dem selbst Majestäten ihr "Hinterhaupt" entblößten. Leibstühle waren in der Adelswelt des 16. bis 18. Jahrhunderts vielfach verbreitet und z. B. am Versailler Hof Ludwigs XIV. offenbar in großer Zahl verfügbar. Heute würden wir von "Toilettenstühlen" sprechen, obwohl wir bei dem Begriff Toilette in erster Linie an Wasserklosetts denken. Die ursprüngliche Bedeutung des Ausdrucks Toilette ist allerdings eine völlig andere. Das französische Wort "toile" bezeichnet eigentlich das Tuch, das früher über den "Putztisch" der Damen gelegt wurde. "Toilette machen" war daher gleichbedeutend mit "sich herausputzen", und eine Frau, die in "großer Toilette" ausging, trug ein teures Abendkleid. Die verschleiernde Übertragung des Wortes "Toilette" auf den Abort hat all diese älteren Bedeutungen heute weitgehend verdrängt.
Toilettenstühle stammen aus einer Zeit, als an Spül-WCs noch nicht zu denken war. Die römische Thermenanlage in Zülpich war da technisch bereits fortschrittlicher. Zu ihr gehörte ein ausgeklügeltes System von Beheizung, Wasserversorgung und Kanalisation. Ein Kanal südlich der Thermen entsorgte das Abwasser – und spülte dabei gleichzeitig die Latrinenanlage.
Stand der Angaben: Magazin der NRW-Stiftung 3/2008
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